Erinnerungen an die alte Weinährer Schule
3. August 2008
Es riecht etwas muffig in der alten Schule, auch wenn die Abendsonne hell durch die milchigen Fenster flutet. Ãœberall liegt Staub. Eine knallrote, frisch gestrichene Holzbank liegt aufgebockt im unteren Klassenzimmer — Werk der Weinährer Rentnerband, die hier ihre Werkstatt hat, wo jahrzehntelang Kinder die Schulbank drückten. Abgesehen von der Tafel, erinnert nur wenig an den Schulbetrieb, der vor gut 24 Jahren zu Ende ging. In einigen Monaten wird das 1885 erbaute Gebäude abgerissen. Zeit für Erinnerungen.
Ganz anders im ersten Stock: Vorbei an einer alten schwarzen Kirchenbank (links), die der damalige Ortsbürgermeister Reinhard Seibel vor rund 20 Jahren vor dem Sperrmüll bewahrt hat, sowie dem edel furnierten ehemaligen Rathaus-Sekretär (rechts)geht es in das zweite Klassenzimmer, das noch so manche „Schätze“ aus Schulzeiten birgt. Da sind vor allem die alten Landkarten, die Generationen von Pennälern die ganze Welt ins Klassenzimmer gebracht haben. Einige sind reichlich heruntergekommen, doch manche lassen sich — ein wenig Pflege vorausgesetzt — beim großen Abschiedsfest für die alte Schule am 13. September sicher gut versteigern, wie Ortsbürgermeister Mathias Schliemann hofft.
Weitere Relikte der Weinährer Schule sind ein Turnbock, ein „Pferd“, eine Rechentafel (rechts), ein großes Lineal und verschiedene Utensilien aus dem Sachkunde- Unterricht, deren Zweck sich erst beim Drehen und Wenden erschließt. Ein ausgestopfter Greifvogel hatte vermutlich als Anschauungsobjekt im Biologie-Unterricht herhalten müssen. Ein Kuriosum sind mehrere Stücke transatlantischer Seekabel, die der Beschriftung zu Folge aus Nordenham in Ostfriesland stammen.
Mitten im Raum steht ein massiver schwarzer Schreibtisch (links), hinter dem zuletzt Ortschef Seibel seines Amtes gewaltet hat. Ein Möbelstück mit Geschichte, wie Mathias Schliemann nachdenklich bemerkt. Der Schreibtisch, so erzählt er, war einst im Besitz des Kaufmanns Anton Winkler. 1945 wurde er von den amerikanischen Besatzungsbehörden konfisziert und ins Rathaus gestellt, wo er fortan als Schreibtisch der Militärverwaltung, später des Ortsbürgermeisters diente. „Ein schönes Stück, das man nur ein wenig reparieren müsste“, meint Mathias Schliemann. Ob das alte Harmonium, das in einer Ecke steht, noch zu retten ist, erscheint hingegen fraglich. Trotz intensiver Betätigung des Blasebalgs gibt das äußerlich noch gut erhaltene Tasteninstrument keinen Ton von sich.
Eher heitere Erinnerungen weckt die halb herunter gekippte grün-weiße Werbetafel mit der Aufschrift „Telefonkarte Weinähr“. „Das war der größte Gag der Gemeindegeschichte“, erinnert sich Ortschef Schliemann. Mitte der 90er Jahre hatte die Ortsgemeinde einige hundert Telefonkarten herstellen lassen, in der Hoffnung, damit Werbung für den Fremdenverkehrsort im Gelbachtal zu machen. Eine Hoffnung, die sich nicht erfüllte, wie sich rasch herausstellte. Denn der Telefonkarten-„Hype“ war längst vorüber, als die Weinährer mit ihrer Karte auf den Markt kamen. Glück im Unglück: Ein Frankfurter Liebhaber kaufte ein paar Jahre später der Gemeinde sämtliche Karten zum Pauschalpreis von 2000 Mark ab. Ein Verlust für die Gemeindekasse blieb es dennoch.
Nur noch wenige Weinährer dürften wissen, dass der Ort eine eigene kleine Bücherei besaß. Zwei Schränke mit Büchern im Erdgeschoss legen Zeugnis davon ab. Einige „Schätzchen“ aus dem Bestand hat der Weinährer „Bücherwurm“ Berthold Arnold bereits ausfindig gemacht. Interessant ist ein Blick ins Ausleih-verzeichnis, das bis in den 50er Jahre zurückreicht; dort ist penibel vermerkt, wer wann welches Buch ausgeliehen hatte. So manche Erinnerung an die Jugendzeit dürfte beim Blättern durch die leicht vergilbten Seiten wach werden.
Eine echte Ãœberraschung, berichtet Mathias Schliemann, war der Fund einiger alter Zeugnishefte aus den späten 30er und 40er Jahren. Sie sollen beim Schulabschiedsfest den noch lebenden Eigentümern nachträglich überreicht werden… Sie tragen die Unterschriften vieler Schulmeister, die einst an der Weinährer Schule unterrichtet haben und an die sich nur noch die heute über 70-Jährigen erinnern können. Dies aren zum Beispiel August Sabel (1923 bis 1945), Horst Houben (1946 bis 1948) oder auch Ernst Gerharz (1948 bis 1959), Marianne Schwartz (1992 bis 1959) oder auch Peter Perabo (1949 bis 1952). Spätere Lehrerpersönlichkeiten waren Josef Kläser (1959 bis 1965), Inge Bongartz (1962 bis 1965), Brigitte Reuter (1965/66), Jürgen Hoppen (1965), Edeltraud Müller (1966 bis 1969) sowie der letzte Weinährer Lehrer Ludwig Düker (1969 bis 1984).
- Welche Erinnerungen haben Sie an die alte Weinährer Schule? Schreiben Sie eine E-Mail an die Redaktion: redaktion1@wir-in-weinaehr.de.