Nassauer Hotel-Pläne: „Weinährer Zimmervermieter können sich warm anziehen“
19. August 2007
Sollte auf dem Gelände der ehemaligen Lahntalklinik in Nassau ein 100-Betten-Hotel entstehen, wie es der Stadtrat plant, können sich die Weinährer Zimmervermieter „warm anziehen“. Davon ist Sven Bender, der Vorsitzende des Vereins für Heimat & Touristik (VfH & T), überzeugt, wie er in der Reihe „Weinährer Dorfgespräche“ erklärte. Entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Gastronomie, so Bender weiter, sei die Qualität. Skeptisch äußerte sich der Vorsitzende, der vor knapp acht Wochen seinen Rückzug erklärte hatte, zum künftigen ehrenamtlichen Engagement vieler Mitbürger für ihren Heimatort. Lesen Sie hier unser Interview im Wortlaut:
Das Grillfest war ein schöner Erfolg für den VfH & T, auch für Sie als Vorsitzenden. Wollen Sie Ihren Rücktrittsentschluss nun noch einmal überdenken?
Sven Bender: Nein, ganz sicher nicht. Ich mache hier keinen Rückzug vom Rückzug. Auch wenn ein erfolgreiches Grillfest dazu verleiten könnte. Das Grillfest habe ich jedoch nicht alleine durchgeführt, sondern viele Helfer, denen ich nur danken kann. Ich hatte einen Vorgänger, da gab es ein Grillfest, es wird eventuell einen Nachfolger geben, der ein solches Event und die damit verbundene Arbeit nicht umgehen kann.
Als Sie vor knapp vier Jahren den Vorsitz übernahmen, haben Sie den damaligen Verkehrsverein vor der Auflösung bewahrt. Nun steht der Nachfolgeverein erneut vor einem Abgrund, sofern sich kein neuer Vorsitzender findet. Bedauern Sie diese Entwicklung?
Sven Bender: Ja, ich bedaure die Entwicklung sehr, zumal ich in den vergangenen dreieinhalb Jahren einiges bewegen konnte und einige Vorstandskollegen immer wieder auf meiner Seite hatte. Wir haben viel für Weinähr getan, was in der heutigen Zeit angesichts der allgemeinen Lage in Weinähr Priorität haben sollte. Es ist aber sehr schwer, alle zu dieser Denkweise zu bewegen. Ich habe einmal gesagt: „Da, wo sich ein Einheimischer wohl fühlt, da fühlen sich auch Gäste wohl.“ Also muss Weinähr voran gebracht werden, der Rest entwickelt sich sicherlich auch. Zukünftig muss solch ein Verein mehr die Heimat in den Vordergrund stellen. Ob dies in diesem Verein geschehen wird, kann ich nicht sagen, dann wird es eventuell ein anderer Verein tun. Zunächst sollte man jedoch kompetente Nachfolger für die Geschäftsführerin und den Vorsitzenden finden und dem Ganzen eine Chance geben.
Ist es nicht schon bei Geburt des Vereins ein Fehler gewesen, gewerbliche und private Interessen unter einem Dach zu vereinigen. Wäre es nicht sinnvoller, beide Bereiche zu trennen und zum Beispiel einen Bürger- und Heimatverein ins Leben zu rufen, mit dem sich dann alle Einwohner des Ortes identifizieren können?
Sven Bender: Einen Teil dieser Frage habe ich schon beantwortet. Ein Großteil der Weinährer Privatleute würde sicherlich nicht die Freizeit opfern und sich Gedanken darüber machen, wie sich die Weinährer Gastronomie füllen lässt. Viele haben immer geäußert: „Die schaffen nur für den eigenen Säckel.“ Klar, davon leben sie. Nur ist die Qualität eines einzelnen Gastwirtes seine beste Werbung. Somit ist der „Bereich Heimat“ jahrelang auf der Strecke geblieben, und es wurde einiges verschlafen. Es ist nicht damit getan, nur Bänke aufzustellen. Ob in Zukunft mehr Privatleute für ihre Heimatgemeinde da sein werden und sich engagieren, glaube ich heute noch nicht. Wir werden es ja am Projekt Dorfplatz erleben.
Wie beurteilen Sie die Zukunft des Weinährer Tourismus?
Sven Bender: Der Weinährer Tourismus musste in den vergangenen Jahren auch Einbußen hinnehmen. Sollte in Nassau ein 100-Betten-Hotel entstehen, können sich die Weinährer „Zimmervermieter“ warm anziehen. Auch hier gilt es, die Qualität immer weiter auszubauen, zu investieren und nicht den Verfall voranzutreiben. Ein kleiner positiver Schritt in die Zukunft ist die Wohnmobil-Stellfläche, die mit Sicherheit in Weinähr entstehen wird. Mehr kann ich hier nicht machen. Ein Koch ist für das gute Essen zuständig, ein Zimmermädchen für die Sauberkeit und ein Chef für das gute Personal und das Gesamtpaket.
Die jetzige Entwicklung ist unter anderem Folge eines Leserbriefes, in dem Sie die TNL kritisiert haben. Würden Sie diesen Brief heute wieder schreiben?
Sven Bender: Nachdem ich einiges einstecken musste und erfahren habe, dass nach immer wieder geäußerter Kritik die wenigsten hinter einem stehen, würde ich den Leserbrief nicht mehr schreiben. Aber ich habe ja für mich die Konsequenzen daraus gezogen und überlasse den Tourismus denjenigen, die davon leben müssen bzw. der dafür zuständigen Einrichtung in Nassau. Ich bin in Zukunft „nur noch“ Weinährer.
Wollen Sie sich in Zukunft noch für Ihren Heimatort einsetzen?
Sven Bender: Ja, das habe ich immer gesagt. Ich bin Weinährer und bleibe es auch. Ich werde mit Sicherheit weiterhin für Weinähr da sein, jedoch keine Leitfäden mehr in die Hand nehmen. Ich mache das in Zukunft wie andere auch, wenn ich keinen „Bock“ mehr habe, dann gehe ich einfach heim.
Vielen Dank für das Gespräch!
Die warmen Jacken können die Weinährer Zimmervermieter getrost im Schrank hängen lassen. Denn ein 100-Betten-Hotel wird es nach meiner Einschätzung in Nassau in absehbarer Zeit nicht geben. Zwar gibt es einen Betreiber, ein Gutachten und einen „Projekt-Entwickler“. Was fehlt ist aber das Entscheidende: ein Geldgeber. Neubauten von Hotels sind und bleiben ein hochriskantes Geschäft, weil niemand auch nur halbwegs genau vorhersagen kann, ob genügend Gäste kommen. Da helfen auch keine Gutachter, die im Gegensatz zum Investor keine Verantwortung zu tragen haben und mit ihren Annahmen allzu oft daneben liegen. Da helfen aber auch keine Wünsche von Mandatsträgern und Bürgermeister, die verständlicherweise den Schaden kompensieren möchten, den der Umzug der Lahntalklinik verursacht hat. Die Zahl der Hotel-Träumereien, die in den letzten Dekaden lahnauf- und lahnabwärts zerplatzt sind, geht vermutlich in die Dutzende. Es ist ja nicht so, dass es in Nassau und Umland keine – auch hochwertige – Ãœbernachtungsmöglichkeiten gibt. Und es ist auch nicht so, dass die existierenden Betriebe sich vor Anfragen kaum retten könnten. Vor einem dreiviertel Jahr erst hat in Nassau ein Hotel zugemacht, weil laut Aussage des Betreibers kein Bedarf vorhanden war. Hinzu kommt, dass Nassau trotz aller Vorzüge schon immer im Windschatten des attraktiven Nachbarn Bad Ems gesegelt ist. Und selbst dort sind schon so manche Hotel-Pläne an der Realität gescheitert. Völlig abstrus erscheint nun die geplante Verbindung eines Supermarktes mit einem Hotel. Sicher kaum mehr als ein Strohhalm, an den sich der Nassauer Stadtrat da klammert.