Neue Chancen für Tante-Emma-Läden
– auch in Weinähr?
12. September 2007
„Lebensmittel – Comeback für Tante Emma um die Ecke“, so überschreibt Spiegel Online einen Bericht über die Rückkehr kleiner Läden, vor allem in einigen Großstädten wie Berlin oder Hamburg. Nicht die riesigen Einkaufsmärkte auf der „grünen Wiese“, nein, der Charme des kleinen Geschäfts um die Ecke sei für viele Kunden wichtiger geworden als günstige Preise allein. Es gebe wieder mehr Verbraucher, zitiert Spiegel Online aus einer Studie, die nah, schnell und bequem einkaufen wollten und bereit seien, dafür „ein bisschen mehr Geld auszugeben“.
Eine Chance für kleine Orte wie Weinähr?
Auch die Gelbachgemeinde hatte einmal einen Tante-Emma-Laden, das Kaufhaus Ewald Winkler in der Bornstraße. Dort gab es nahezu alles zu kaufen, was der Mensch tagtäglich brauchte. Von warmen Socken über Glückwunschkarten und Spielzeug bis hin zu Milch, Mehl und Butter. Winklers Kaufhaus war aber mehr als bloß ein „Emma-Laden“. Dort trafen sich viele Dorfbewohner, um zu klönen, Neuigkeiten auszutauschen oder schlicht sich die Zeit zu vertreiben. Wer wissen wollte, wer Geburtstag hatte, wer krank war oder wer ein neues Auto hatte – Neuigkeiten jedweder Art wurden in dem kleinen, sympathischen Kaufhaus ausgetauscht.
Mitte der 90er Jahre schloss das Kaufhaus Winkler seine Pforten für immer. Nachdem das rührige Kaufmanns-Ehepaar Jahrzehnte lang seine Weinährer Mitbürger und deren Feriengäste rundum versorgt hatte, ging es in den wohlverdienten Ruhestand. Einen Nachfolger gab es nicht, kein Leben mehr hinter der großen Schaufensterscheibe. Heute versorgen sich die meisten Weinährer in einem der großen, anonymen Discounter in Nassau oder noch weiter entfernt. Dass sich Dorf-Läden auch 2007 durchaus behaupten können, zeigt der Blick in einige Nachbarorte: In Obernhof, kleiner noch als Weinähr, in Dausenau oder auch in Eppenrod sind „Tante-Emma-Läden“ immer noch anzutreffen. Dass dort keine Reichtümer erwirtschaftet werden, dürfte klar sein. Doch leben zum Teil ganze Familien davon. Immerhin.
Der Bedarf für einen Tante-Emma-Laden dürfte in Weinähr sicher vorhanden sein. Wer kennt nicht die Situation, Eier oder Milch bei Aldi vergessen zu haben und diese bei der Nachbarin ausleihen zu müssen – oder aber noch einmal 6 bis 7 Kilometer mit dem Auto nach Nassau zu fahren? Und das bei stetig steigenden Spritpreisen! Nicht zu vergessen: Ältere Bürger besitzen häufig keinen eigenen Pkw – für sie wäre eine Einkaufsmöglichkeit im Ort ein Segen.
Bürgerinitiative könnte eine Lösung sein. In Hessen, aber auch in Rheinland-Pfalz, gibt es erfolgreiche Versuche, in denen sich Bürger zu Vereinen oder auch Genossenschaften zusammenschließen, um die Bevölkerung wenigstens mit dem Notwendigsten zu versorgen. Solche Nachbarschaftsläden funktionieren zumeist auf ehrenamtlicher Basis und dienen vor allem der fußläufigen Grundversorgung der Dorfbewohner. Sie sind rentabel, weil keine Gewinnentnahme erforderlich ist, und damit sind sie auch konkurrenzfähig. In einem solchen Laden könnten weitere Dienstleistungen angeboten werden wie Post, Bestellung von Versandartikeln oder auch Lotto-Annahme.
Die Bedeutung von so genannten „Convenience Shops“, zu denen neben Tankstellen-Läden und Kiosks auch Dorfläden zählen, ist laut Wikipedia in den letzten Jahren stark gestiegen: Ihr Umsatz erreichte in Deutschland Ende 2005 bereits 20 Milliarden Euro. Gerade der Aufschwung vieler Tankstellenläden beweist: Der Preis ist nicht alles, auch die Bequemlichkeit zählt.
Eine Möglichkeit auch für Weinähr? Vielleicht. Es kommt auf die Bürger an.
Bei Aldi, Lidl und Co kaufen, denn „Geiz ist geil!“ – Beim Fachhändler beraten lassen und dann das Schnäppchen im Baumarkt machen… „ich bin doch nicht blöd!“. Aber uups – im Aldi was vergessen und dann doch schnell in den Tante-Emma-Laden an der Ecke. Wer glaubt eigentlich wirklich, dass ein Händler mit der Gewinnspanne an der „vergessenen“ Butter leben oder gar überleben kann? Wer sich einen Laden nur mit solchen Argumenten wünscht und dann aber noch die „älteren Bürger“ vor seinen Argumentationskarren spannt, vergießt nur Krokodilstränen!
Natürlich kann kein Laden von der bei Aldi vergessenen Butter existieren. Vielleicht aber davon, dass bei steigenden Spritpreisen die Fahrt zu Aldi & Co. immer teurer wird und sich womöglich viele Leute überlegen, ob sie nicht lieber das Angebot im Ort nutzen. Nicht für den wöchentlichen Großeinkauf, aber durchaus für die vielen kleinen Dinge, die man zwischendurch benötigt und für die eine Fahrtstrecke von 14 Kilometern hin und zurück nicht lohnt – ganz abgesehen vom Zeitaufwand. Der Mensch denkt nun mal wirtschaftlich und wird wohl kaum aus purem Idealismus im Laden um die Ecke einkaufen gehen, sondern nur dann, wenn es handfeste Vorteile hat. Und da scheint sich in den letzten Jahren einiges getan zu haben, was kleinen Läden auch im ländlichen Raum eine Chance geben könnte.
Der Hinweis auf die „älteren Bürger“ ist meines Erachtens vollkommen berechtigt, weil sie häufig weniger mobil sind als die jüngeren. Und da wir alle älter werden und die Jungen immer weniger, könnte ein – wie auch immer organisierter „Nachbarschaftsladen“ – durchaus auch in Weinähr eine Existenzgrundlage besitzen. Vielleicht. Nicht zu vergessen: die Bequemlichkeit, die Ortsnähe mit sich bringt. Dass man dafür auch etwas zahlen muss, ist klar.
Man muss sich doch da nur mal die Bäckerei Kasper in Obernhof betrachten. Klar, dort gibt es noch eigene Backwaren, aber das Angebot an anderen Lebensmitteln ist reichhaltig und wird auch viel genutzt. Auch der Familie Kasper ist bewusst, dass „jeder“ zum Aldi etc. fährt, aber man baut auch viel auf den Tourismus. 2 Campingplätze in der Nähe können sicherlich auch damit werben, dass es eine Einkaufsmöglichkeit gibt, wo man zu Fuß hingehen kann. Auch in Weinähr wird man oft von „Fremden“ oder „Durchreisenden“ gefragt, ob es irgendwo eine Zeitung oder Getränke etc. gibt.
Ich bin beruflich viel in Hessen unterwegs, dort gibt es in fast jeder kleineren Gemeinde einen Dorfladen, auch in den Orten, die kleiner sind als Weinähr. Nur denke ich, dass der Zug für Weinähr abgefahren ist, dafür haben „Winkler´s“ schon zu lange geschlossen. Und wenn eines Tages jemand die Geschäftsidee in Weinähr ergreift, dann muss er sich Gedanken um die Räumlichkeiten machen, denn die alte Schule gibt es dann nicht mehr. Ãœbrigens, in Hessen gibt es viele Nachbarschaftsläden, wo sich viele Helfer und Helferinnen freiwillig und ehrenamtlich einbringen. Wenn diejenigen, die in Weinähr immer so einen Laden wollten, auch in der alten Schule, sich bereit erklären, ehrenamtlich in ihrer Freizeit so einen Laden zu betreiben, dann bin ich auch sofort dabei.