Der „Motor“ von Weinähr tritt ab
9. Februar 2014
Die Erhaltung der ortsbildprägenden Kirche, der Wanderwege und der Gemeindestraßen, die Bürgerinnen und Bürger weiterhin für Weinähr und das bürgerschaftliche Engagement zu motivieren und eine sehr sparsame Haushaltsführung. Diese Aufgaben kommen auf den künftigen Ortsbürgermeister von Weinähr zu, meint Mathias Schliemann, seit zehn Jahren Ortschef. Zur Kommunalwahl am 25. Mai tritt er aus familiären und beruflichen Gründen nicht mehr an. Zeit für eine Bilanz.
Zur Kommunalwahl 2014 wird es wohl aller Voraussicht keinen Direktkandidaten für das Amt des Ortsbürgermeisters mehr geben Woran könnte das liegen?
Mathias Schliemann: Ich sehe im Amt des Ortsbürgermeisters nicht nur den Posten eines Verwalters, sondern auch eines Motors für das ganze Dorf. Das erfordert einen großen Zeitaufwand, was es schwer macht, wenn man nebenbei noch beruflich tätig ist. Wenn man zudem seinen Arbeitsplatz nicht hier vor der Tür hat, wird es noch schwerer.
Das Positive ist: Man spürt, dass sich etwas verändert, dass man an der Entwicklung seines Heimatdorfes mitwirken darf. Allerdings muss man auch bereit sein, manchmal unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Man wird es nicht immer allen Recht machen können.
Was war für Sie selbst ausschlaggebend, Kommunalpolitik zu machen und vor zehn Jahren als Ortsbürgermeister zu kandidieren?
Schliemann: Vor 15 Jahren herrschte fast absoluter Stillstand in der Gemeinde, es wurde viel gemeckert. Aus dem Kreis der TuS kam das Ansinnen, daran etwas zu ändern. So kam es, dass wir beschlossen, eine Bürgerliste zu gründen, die 1999 gleich zwei Sitze im Gemeinderat erringen konnte. Wir lagen sogar nur wenige Stimmen hinter der Wählergruppe Seibel. Da wir sozusagen das Zünglein an der Wage zur SPD bildeten, fragte mich Reinhard Seibel, der damalige Ortsbürgermeister, ob ich Erster Beigeordneter werden wollte. Ich habe das dann mit meiner Familie abgeklärt und zugesagt. Ohne die Unterstützung meiner Frau und meiner beiden Kinder, hätte ich dieses Amt nicht so ausführen können, wie ich es all die Jahre getan habe.
Und wie ging es vor zehn Jahren weiter?
Schliemann: Wir hatten einiges angeschoben, das wir fortsetzen wollten, zum Beispiel die Jugendarbeit oder auch die Stärkung der Eigenleistung im Dorf. Der Ärger um den Ausbau der Kellereistraße zeigte damals, dass die Bürger mehr beteiligt werden wollten. Deshalb war ich bereit, das Amt des Ortsbürgermeisters zu übernehmen.
In meiner Entscheidung haben mich Gespräche mit Reinhard Seibel und Bürgermeister Udo Rau bestärkt, die mich ermutigten, dieses Amt zu übernehmen.
Welches waren die Höhepunkte Ihrer Amtszeit?
Schliemann: Da muss ich den Dorfplatz ganz klar herausstellen. Das bürgerschaftliche Engagement, das hier geleistet wurde, ist unglaublich. Ãœber 1500 Stunden von 65 Bürgern — das spricht Bände! Auch die Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat bei der Instandsetzung der Rathausfassade muss ich erwähnen, außerdem das große Engagement der Rentnerband und das Engagement der Bürger bei dem von mir ins Leben gerufenen Umwelttag.
…und was waren die Tiefpunkte?
Schliemann: Negativ ist, dass manche Leute meckern und kritisieren, ohne selbst etwas anzupacken. Mit der Karnevalsaktion vor einigen Jahren wollte ich die Leute wachrütteln, damit sie etwas initiieren — das habe ich leider nicht geschafft.
Wie zufrieden waren Sie mit dem Engagement der Vereine?
Schliemann: Sehr zufrieden. Schade ist allerdings, dass es einige Vereine nicht mehr gibt, zum Beispiel den Möhnenclub und die Schnooge, die vor allem im Karneval aktiv waren. Der Verein für Heimat und Touristik, der mit seinem Vorsitzenden Sven Bender einige Feste und Aktionen initiiert hat und der für die Ortsgemeinde und für den Tourismus sehr wichtig war und viel getan hat. Meines Erachtens hatte Sven Bender zu wenig Unterstützung der Mitglieder und der gastronomischen Betriebe und so wurde der Verein leider aufgelöst. Aber gewisse Dinge haben eben ihre Zeit. Um den Schützenverein tut es mir leid, der nur noch aus wenigen aktiven Mitgliedern besteht. Wenn ich aber TuS und Feuerwehr sehe, dann ist das Engagement noch gut. Was Weinähr gut tun würde, wäre ein Heimatverein, der nicht nur Feste veranstaltet, sondern sich auch um die Verschönerung unser Gemeinde kümmert.
Nur noch 437 Einwohner hat Weinähr. Was ist aus Ihrer Sicht zu tun, damit das Dorf nicht stirbt?
Schliemann: Weinähr hat noch viele alte Häuser, die zu verfallen drohen. Gerade im Ortskern. In puncto Denkmalschutz würde ich mir noch mehr Unterstützung der Denkmalpflege wünschen. Die Untere Denkmalbehörde des Rhein-Lahn-Kreises müsste gerade auf die Eigentümer der Gebäude aktiv zu gehen, deren Haus auf der Denkmalliste des Landes steht und sie über Möglichkeiten der Unterstützung und natürlich auch über die Pflichten aufklären.
Ich habe bei der Behörde bereits einen möglichen Infoabend angeregt, den man mit unserer Nachbargemeinde Obernhof veranstalten könnte. Leider habe ich hier keine Rückmeldung erhalten.
Wichtig wäre auch eine bessere Versorgung mit DSL, das ist ein wichtiger Standortfaktor für den ländlichen Raum insgesamt.
Welche Projekte sollte Weinähr trotz knapper Finanzen in den nächsten Jahren in Angriff nehmen?
Schliemann: Vor allem müssen wir uns um die Erhaltung der Kirche kümmern, immerhin ein ortsbildprägendes Gebäude im Dorf. Das Bistum Limburg macht nur noch das Notwendigste, für eine notwendige umfassende Sanierung ist kein Geld da. Ich befürchte, dass in unserer Kirche irgenwann noch nicht mal mehr Gottesdienste stattfinden – zurzeit gibt es ja immerhin noch einmal pro Woche einen Gottesdienst -, dann müsste man auch über eine Umnutzung nachdenken. Hier wird auch die Gemeinde gefordert sein, aber das wird eine sehr große Herausforderung. Eine Baustelle der nächste zehn bis 20 Jahre werden Wasserleitungen und Kanal u.a. in der Bergstraße sein. Auch viele andere Gemeindestraßen sind in die Jahre gekommen. Erheblichen Sanierungsaufwand sehe ich auch für die Hauptstraße zwischen Post und Feuerwehr. Aber das wäre Sache des Landes.
Braucht Weinähr ein eigenes Gewerbegebiet?
Schliemann: Für die Einnahmen ja. Aber das Gelbachtal gibt das nicht her, denn Wohnqualität und Fremdenverkehr würden darunter leiden. Das wäre die Sache gewiss nicht wert.
Der Tourismus war einmal ein bedeutender Wirtschaftszweig der Gemeinde. Wie schätzen Sie die Zukunft ein?
Schliemann: Nur noch wenige Gäste verbringen einen längeren Urlaub in Weinähr, aber für Tages- und Wochenendtouristen sind wir nach wie vor interessant. Deshalb ist auch die Pflege und Instandsetzung der Wandereinrichtungen notwendig, auch die Ruhebänke müssen regelmäßig instandgesetzt oder ausgetauscht werden. Hier ist auch die Touristik im Nassauer Land gefordert. Wanderwege haben wir schon genug, sie müssen nur in Ordnung gehalten werden.
In Zukunft halte ich eine noch stärkere Zusammenarbeit mit Obernhof für notwendig, auch im Bereich der Veranstaltungen.
Vielen Dank für dieses Gespräch!
Alles Gute, Herr Schliemann, und an dieser Stelle noch einmal vielen Dank für Ihre Unterstützung (vor einigen Jahren). Dass ich (bislang) nicht Bürger von Weinähr geworden bin, lag nicht an Ihnen!
Th.