Was ist Weinähr eigentlich wert?
28. Dezember 2007
Was ist eigentlich eine Gemeinde wert? Eine Frage, die bislang wohl kaum zu beantworten war. Im Zuge der Umstellung der kommunalen Haushalte auf die kaufmännische doppelte Buchführung, die sogenannte „Doppik„, rückt eine Antwort jedoch erstmals in greifbare Nähe. Zumindest was das öffentliche Vermögen angeht. Sämtliches Eigentum der Kommunen – vom Landkreis bis hinunter zu den Ortsgemeinden und vom Schreibtisch des Bürgermeisters bis hin zum Dorfgemeinschaftshaus – wurde mit Blick auf die für spätestens 2009 geplante Einführung der Doppik von unabhängigen Gutachtern bewertet. In Weinähr ist dies bereits vor eineinhalb Jahren geschehen und hat zum Teil Erstaunliches zu Tage gefördert.
- Beispiel alte Schule: Laut Gutachten war das um 1885 erbaute Gebäude (Grundfläche = 415,25 Quadratmeter) am 1. Januar 2006 noch genau 9.980,63 Euro wert. Der Asphaltbelag rund um das Schulhaus wurde vom beauftragten Sachverständigenbüro Gablenz aus Eppingen-Elsenz auf 2.642,17 Euro taxiert. Grundlage für diese Wertermittlung ist ein fiktiver Herstellungswert von 296.778,07 Euro in einem ebenso fiktiven Baujahr 1960. Dies ergibt eine Restnutzungsdauer von 35 Jahren. Bei historischen Gebäuden ist das Einsetzen fiktiver Baujahre ein übliches Verfahren, da solche Immobilien bei Abschreibungszeiten von höchstens 80 Jahren ansonsten als wertlos bzw. vollständig abgeschrieben betrachtet werden müssten.
- Das Gleiche trifft auf das historische Weinährer Rathaus aus dem 17. Jahrhundert zu, das Anfang der 90er Jahre mit einem Millionenaufwand saniert wurde. Hier wurde 1975 als Baujahr festgelegt, was eine Restnutzungsdauer von 50 Jahren ergibt. Auf der Grundlage von (fiktiven) Herstellungskosten von rund 352.000 Euro wurde der Gebäudewert zum 1. Januar 2006 auf 95.165,97 Euro geschätzt, wie der Sachverständige schreibt. Die Außenanlagen des Rathauses (Belag) sind danach 3.597,98 Euro wert.
- Beispiel für die Bewertung eines neueren Gebäudes ist die im Jahr 2000 erstellte Buswartehalle an der Hauptstraße/Hammerweg, deren Nutzungsdauer auf 20 Jahre bestimmt wird, der übliche Wert für Holzgebäude. Bei einem Herstellungswert von 1.351,63 Euro und einer Restnutzungsdauer von 15 Jahren ergibt sich ein Gebäudewert von 1.013,63 Euro zum 1. Januar 2006.
Begutachtet wurden jedoch nicht nur die im Gemeindeeigentum befindlichen Gebäude – auch der Wert aller Straßen, Plätze, ja sogar des Friedhofes wurde minutiös ermittelt. Danach hat zum Beispiel:
- der breite Gehweg des Weinährer Friedhofs einen Wert von 5.773,48 Euro, während die kleinen Plattenwege zwischen den Gräbern mit 2.408,78 Euro bewertet wurden. Auch die Leichenhalle wurde bewertet: mit 10.883,12 Euro.
- Interessant ist der Blick auf den Wert der Weinährer Straßen: Der Sonnenhang zum Beispiel (Baujahr 1991) war laut Gutachter zum 1. Januar 2006 noch 53.687,23 Euro wert plus 3.705 Euro für die Leuchten.
- Die Kellereistraße (fiktives Baujahr: 1981)hat einen gutachterlichen Restwert von nur noch 2.131,34 Euro – plus 222,30 Euro für die Lampen.
- Weiteres Beispiel: die Bergstraße (Bj 1981). Für ein 15 Meter langes Teilstück zur Hauptstraße hin schlägt der Gutachter eine Bewertung von 620,97 Euro vor.
- Einer der wertvollsten Weinährer Verkehrsflächen ist die vor einigen Jahren erst komplett sanierte Gelbachbrücke, die mit 185.653,48 Euro plus 3.792,35 Euro für die Stützwand geschätzt wird.
- Der Platz vor dem Friedhof mit Spielplatz, Gehweg, Rasen und Bäumen wurde mit 5798,03 Euro angegegeben, der Wert der Spielgeräte mit 6.961,13 Euro.
Die Wertermittlung erfolgte auf der Grundlage einer vom Gesetzgeber verbindlich vorgegebenen Abschreibungstabelle, der zu Folge zum Beispiel den Straßen eine Nutzungsdauer von 35 Jahren, massiven Gebäuden 80 Jahre, Holzgebäuden 20 Jahre und Bäumen eine Nutzungsdauer von 100 Jahren zugeschrieben werden. Nicht zu verwechseln sind die im Gutachten ermittelten Buchungswerte mit den Verkehrswerten, die nur auf der Basis von Angebot und Nachfrage zu ermitteln sind, also ein Marktgeschehen widerspiegeln. Einen Markt für öffentliches Anlagevermögen dürfte es allerdings kaum geben. Öffentliche Einrichtungen wie ein Friedhof oder eine Straße dürften wohl unverkäuflich, deren Werte mithin eher theoretisch sein, wenngleich sie sich an realen oder fiktiven Herstellungskosten orientieren. Schon der Verkauf einer öffentlichen Immobilie wie das alte Weinährer Schulgebäude erwies sich als kaum zu realisieren.
Somit bilden die in den Gutachten ermittelten Werte lediglich auf der Basis von Herstellungskosten errechnete Festlegungen, die als Grundlage für das künftige Wirtschaften der öffentlichen Haushalte dienen sollen. Ziele der Doppik in den kommunalen Haushalten sind die Herstellung von Transparenz der Kosten und ihrer Verursacher, höhere Effizienz und nachhaltiges Wirtschaften. Das bedeutet, dass kommende Generationen nicht von der jetzt lebenden unnötig belastet werden sollen.
In der Verbandsgemeinde Nassau werden sämtliche kommunalen Haushalte zum 1. Januar 2009 auf das neue System umgestellt, das von manchen Fachleuten als die größte Kommunal-Reform seit dem Zweiten Weltkrieg angesehen wird.