Hotel Treis: Mit einer Straußwirtschaft fing alles an
23. März 2008
Eine Fotographie aus dem Jahr 1951 zeigt das „Alte Winzerhaus“ Treis am Weinährer Ortseingang inmitten von Weinstöcken. Die Reben standen damals bis in das heute bewaldete und deshalb eher dunkle Silzbachtal hinein. Diese Blütezeit des Weinährer Weinbaus ist lange vorbei. Und aus dem einstigen Winzerbetrieb Treis ist der wohl bedeutendste Gastronomiebetrieb des Nassauer Landes hervorgegangen, der – saisonabhängig – bis zu 18 Mitarbeiter beschäftigt und damit der größte Arbeitgeber der Gelbachgemeinde Weinähr ist. 250 Gästen bietet der sympathische Familienbetrieb Platz in einem seiner Restaurants, bei schönem Wetter können bis zu 150 Besucher im Garten sitzen und die Hotelzimmer bis zu 80 Gäste beherbergen. Das alte Winzerhaus, die „Keimzelle“ des Betriebs, existiert immer noch – ist aber nach unzähligen An- und Erweiterungsbauten inzwischen vollständig eingerahmt.
Die Anfänge vor fast einem dreiviertel Jahrhundert waren allerdings bescheiden, wie Sabine Treis-Drell und Ehemann Iro Drell aus der Firmenchronik berichten. In den 20er Jahren kam Großvater Jacob Treis aus Bremm an der Mosel nach Weinähr, um hier ab 1936 einen Obstbaubetrieb mit Schwerpunkt Weinbau zu betreiben. Jacob Treis reihte sich damit ein in die Riege jener Moselwinzer, die seit Ende des 19. Jahrhunderts dem Weinbau in Weinähr und Obernhof zu neuer Blüte verhalfen.
Nach 1945 richtete Jacob Treis in seinem Haus eine Straußwirtschaft ein und beherbergte die ersten „Sommerfrischler“, wie damals die Urlauber genannt wurden. Treis‘ „Weintankstelle“ war in der Region bereits bekannt, als er im Jahr 1951 die Genehmigung erhielt, das Haus als Gaststätte und Fremdenpension zu führen. 40 Plätze in der Gaststätte und gerade einmal sechs Fremdenbetten hatte der Betrieb zu Beginn der 50er Jahre.
Die Geschäfte liefen gut in der Zeit des Wirtschaftswunders. So gut, dass Jacob und Anna Treis schon 1958 ihren Betrieb erweitern konnten: Zum Garten hin wurde erstmals angebaut. Die Kapazität des Hauses wuchs auf nunmehr 100 Gaststättenplätze und 20 Betten in Doppelzimmern. Gleichzeitig schloss die Familie Treis einen Vertrag mit einem großen Industriebetrieb, so dass bis zu 100 Personen und mehr im Ort einquartiert wurden. Damit leistete die Familie Treis bedeutende Pionierarbeit für den Fremdenverkehr in Weinähr. Die Gäste kamen damals in Scharen, vor allem aus dem Ruhrgebiet. Kaum ein Haus, das nicht mindestens ein Zimmer an Urlauber vermietete. Der Fremdenverkehr wurde zum wichtigsten Wirtschaftsfaktor der kleinen Gemeinde.
1964 folgte ein Generationenwechsel im Hause Treis: Klaus Treis (Jahrgang 1936), Sohn des Firmengründers, und seine Frau Inge übernahmen federführend das Geschäft. Aber auch die Schwestern Maria Winkler (* 1931) und Anna Justi (* 1940) arbeiteten in dem Betrieb mit, der in den beiden folgenden Jahrzehnten weiter auf stetigem Wachstumskurs blieb. So wurden noch in den sechziger Jahren das erste Gästehaus und eine überdachte Terrasse gebaut, die Platz für 40 Kaffee-Gäste bot. Die Zahl der Fremdenbetten wuchs auf 36 an.
Den Schritt vom Gästehaus zum Landhotel vollzog die Familie Treis mit einem Umbau in den Jahren 1971/72. Die Gaststätte wurde zum Panorama-Restaurant ausgebaut, die Speisen wurden in einer hochmodernen Großküche zubereitet; in den ebenfalls erweiterten Gelbachstuben bot das Hotel Treis seinen Gästen Tanz und gepflegte Unterhaltung. Der Garten wurde auf nunmehr 150 Sitzplätze erweitert, hinzu kamen ein kleines Freibad, eine Liegewiese und ein Kinderspielplatz.
Der größte Umbau kam 1980, wie die Firmenchronik weiter vermerkt. Fast alle Zimmer erhielten Dusche, WC, Balkon, Telefon, teilweise Balkon und eine gemütliche Einrichtung. Der Restaurant-Betrieb wurde mit dem Bau des „Goetheblick“ abermals erweitert. Das Hotel Treis hatte nun seine heutige Größe von bis zu 80 Betten erreicht. Das Restaurant bot damals 350 Plätze und 150 Gartenplätze.
Während die Ãœbernachtungszahlen in Weinähr in den letzten zwei Jahrzehnten zurückgingen, gelang es dem Landhotel Weinhaus Treis, sich am Markt erfolgreich zu behaupten. In den vergangenen Jahren habe das Unternehmen seine gute Position halten können, berichtet Sabine Treis-Drell. Kein leichtes Unterfangen, denn das Reiseverhalten der Deutschen hat sich in dieser Zeit stark gewandelt. War es früher normal, dass Urlauber für zwei, drei Wochen nach Weinähr kamen, so sind es heute überwiegend Kurzzeit-Gäste, die den wohl schönsten Abschnitt im Lahntal besuchen. Sei es, um hier zu wandern, Fahrrad zu fahren oder auch eine Paddeltour auf der Lahn zu unternehmen – kurzum vorwiegend naturverbundene Aktivurlauber, die für ein paar Tage die ruhige und abgeschiedene Idylle des Gelbachtals genießen wollen. Auch Motorradfahrer sind gerne gesehene Gäste.
Die Gäste des Hauses Treis kommen aus den nahegelegenen Ballungszentren Rhein/Main und Rhein/Ruhr, zunehmend aber auch aus Ostdeutschland, außerdem aus Holland oder Belgien. Die Saison beginnt in der Regel um die Osterzeit und dauert – mit Unterbrechungen – bis Silvester und Neujahr. „Dann ist bei uns alles rappelvoll“, berichten Sabine Treis und Iro Drell.
Aber auch als Ausbildungsbetrieb ist der Weinährer Gastronomie-Betrieb von großer Bedeutung für die Region: Derzeit absolvieren acht Lehrlinge eine Ausbildung zu Hotelfachleuten oder Köchen. Vier von ihnen erhalten im Sommer ihren Gesellenbrief. Im nächsten Ausbildungsjahr sollen zwei neue Lehrlinge eingestellt werden. Mehr als 200 „Azubis“ haben in den letzten Jahrzehnten im Hause Treis das „Rüstzeug“ für ihr Berufsleben erhalten, berichtet Sabine Treis-Drell, die selbst eine Ausbildung zur Hotelmeisterin und Hotelbetriebswirtin absolviert und in großen Häusern in ganz Deutschland gearbeitet hat.
Und der Weinbau? „Das ist noch das große Hobby meines Vaters“, erzählt Tochter Sabine. Immerhin pflegt der Senior, der die Geschicke des Hauses mit seinen bald 72 Jahren noch immer aktiv lenkt, 15 Ar Weinfläche, die er – anschaulich für die am Weinbau interessierten Gäste – als „Weinlehrpfad“ gestaltet hat. Den Rebsaft stelle er aber nicht mehr selber her; gekeltert werden die Trauben bei einem befreundeten Betrieb am Mittelrhein.
Nicht nur als Arbeitgeber ist das Weinhaus Treis für Weinähr von Bedeutung – auch gesellschaftlich hat das Hotel eine wichtige Funktion im Ort, wie Sabine Treis-Drell augenzwinkernd erzählt. „Viele Weinährer Ehen sind bei uns angebahnt worden – und die meisten haben bis heute gehalten.“