Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag
18. November 2012
Etwa 40 Bürgerinnen und Bürger, darunter Vertreter der Ortsvereine und des Gemeinderates, nahmen an der heutigen Gedenkfeier teil, zu der Ortsbürgermeister Mathias Schliemann eingeladen hatte.
Schliemann ging in seiner diesjährigen Rede insbesondere auf die heutige Bedeutung des Volkstrauertages ein und mahnte, dass gerade das immer größer werdende soziale Gefälle eine Gefahr für den Frieden sei. In seiner Rede las er ein Flugblatt vor, dass die neuformierten Parteien 1945 an die Bevölkerung verteilten und damit die Menschen im Land aufforderten sich zu engagieren, sich einzubringen und nicht nur “Stimmvieh†(Zitat aus dem Flugblatt) zu sein. Die Aufforderung, an die Bürgerinnen und Bürger, aktiv zu sein und zu agieren, sei so aktuell wie damals.
Hier nachfolgend die komplette Rede:
Von Erich Kästner stammt der Satz:
„Die Vergangenheit muss reden, und wir müssen zuhören.
Vorher werden wir und sie keine Ruhe finden.
Lassen auch wir heute die Vergangenheit reden und hören ihr zu!
Denn was sie uns erzählt, ist nicht vergangen, sondern noch immer allgegenwärtig.
Lernen wir aus unserer Vergangenheit!
Als ich im Juli mit der Rentnerband das Haus der Geschichte in Bonn besuchte, entdeckte ich dort ein Flugblatt, dass die damaligen sich neuformierten politischen Parteien im Herbst 1945 an die Bevölkerung verteilten.
Den Inhalt des Flugblattes möchte ich Ihne heute gerne vorlesen,
weil uns dieses Flugblatt  vor Augen führt,
wie glücklich wir heute sein können, in Frieden und Freiheit zu leben,
aber immer wachsam und engagiert sein müssen,
damit sich eine Tragödie, wie der 2. Weltkrieg nicht wiederholt.
Das Flugblatt trägt die Überschrift:
„Wieder Herr im eigenen Hause werden!“
Der Text des Flugblattes:
Wir wollen uns doch nichts vormachen: wir sind es heute nicht,
und wir waren es nicht seit 1933.
Weder in den kleinen, noch in den großen Dingen haben wir in den
12 Jahren Hitler-Herrschaft selbst entscheiden können.
Was unsere Kinder mit ihrer Freiheit anfingen-
Welche  Rundfunksender wir einstellen durften –
Welche Arbeit wir leisten sollten –
Ob wir aufrüsten, ob wir Krieg anfangen,
andere Völker überfallen,
andere Länder besetzen sollten oder nicht –
Alles das hat da oben Hitlers Pack entschieden.
Sie konnten es, weil 12 Millionen Naziwähler mithalfen, sie zur Macht zu bringen,
und weil viele Millionen mehr, ihnen Jahr um Jahr ihr „Ja“ gegeben haben.
Deshalb verfluchen uns jetzt die Mütter von zwanzig Nationen,
deren Söhne durch deutsche Kugeln gefallen, deren Häuser durch deutsche Bomben vernichtet sind.
Deshalb liegt heute jeder zehnte Deutsche im Massengrab oder im Krüppelheim.
Deshalb sind unsere Städte zerstört, unser Fabriken lahmgelegt,
unsere Reichskassen geleert.
Deshalb hungern wir, Deshalb frieren wir, Deshalb haben Millionen kein Heim
Und Deshalb haben wir fremde Truppen im Land, werden von Ausländern regiert und stehen unter Beobachtung, weil sie kein Vertrauen zu uns haben.
Die Völker misstrauen uns, weil wir uns missbrauchen ließen,
weil wir Hitler für uns entscheiden ließen,
statt unsere Geschicke in unsere eigenen Hände zu nehmen.
Den Kopf in den Sand stecken hilft gar nichts.
Frei sein, uns selbst regieren werden wir erst dann, wenn wir bewiesen haben, dass uns kein Hitler mehr missbrauchen kann.
Hitler nahm uns nicht nur das Recht, über Krieg und Frieden zu entscheiden.
Er entschied auch über Haus und Hof.
Auch heute haben wir nicht das Recht, über Deutschland zu entscheiden.
Aber die Besatzungsmacht will, dass wir selbst bestimmen,
wie es in Stadt und Land aussehen soll.
Freie Regierung ist der erste Schritt zum freien Deutschland.
Von vorn müssen wir anfangen mit dem Selbstverwalten und dem Selbstregieren – von unten auf.
Im nächsten Jahr wird gewählt werden in den Gemeinden, sobald die Umstände es erlauben. Darauf müssen wir uns vorbereiten.
Aber: … Regierung durch das Volk heißt nicht nur Stimmvieh spielen.
D  e r ist kein guter Bürger.
D e r hilft nicht sich und Deutschland, der alle Jubeljahre einmal „wählt“
und sich sonst überhaupt nicht darum kümmert, wie es in seinem Dorf und seiner Stadt aussieht.
Wenn wir uns  selbst regieren wollen
– Und wir müssen es wollen, um ein Drittes Reich zu vermeiden –
dann müssen wir selbst Hand anlegen, müssen uns kümmern.
Arbeite mit in der Gemeinde, mach Vorschläge und hilf mit sie zu verwirklichen.
Es gibt genug zu tun:
Kümmerst Du Dich darum, wie Deine Kinder in der Schule erzogen werden?
Kümmerst Du Dich darum, ob die Kranken, die Schwachen und die Alten versorgt werden?
Kümmerst Du Dich darum, dass die Gemeindefinanzen richtig verwendet werden, dass es Arbeit gibt?
Kümmerst Du Dich darum, dass die Lebensmittel gerecht verteilt werden, dass Dein Nächster ein Bett und ein Dach hat?
Da fängt es an mit dem Selbstregieren!
Da wirst Du gebraucht!
Da hilf mit!
Natürlich, es kann nicht ein jeder zum Rathaus laufen.
Es wird nichts draus, wenn jeder nur in seine eigene Richtung zerrt.
Der einzelne ist nicht immer stark genug:
Zusammenschluss mit Gleichgesinnten ist nötig und sichert erst den Erfolg.
Die politischen Parteien, die jetzt in allen Kreisen wieder erstehen, sind Sammelbecken für die Bürger, denen das Gemeinwohl am Herzen, nicht nur im Munde liegt.
Schließ Dich einer Partei an, informiere Dich politisch – arbeite mit, hilf mit, es gibt nur diesen einen Weg zur Freiheit-.
Ja, meine verehrten Bürgerinnen und Bürger, dieses Flugblatt ist beinahe 70 Jahre alt.
Dennoch ist die Aufforderung sich einzubringen, sich zu engagieren,
sich um sozialschwache Menschen zu kümmern, sich um die Erziehung und Entwicklung unserer Kinder zu kümmern und von seinem Wahlrecht Gebrauch zu machen, so aktuell und wichtig wie damals.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
gerade an diesem heutigen Tag sollten wir innehalten und
uns der Bedeutung des Volkstrauertages bewusst werden.
Leider werden aber die, die sich an diesem Gedenktag erinnern wollen,
an den Gedenkveranstaltungen teilnehmen und sich der Bedeutung des Volkstrauertages bewusst werden, immer weniger!
Ich lade Sie nun ein, mit mir auf eine Gedankenreise zu gehen.
Stellen Sie sich vor:
da steht ein Mann, eine Frau heute hier vor der Kirche, vor dem Denkmal, weil das halt so üblich ist, weil man ja zu einem Verein gehört und auch deshalb
mitgeht, und auf einmal machen sich die Gedanken selbstständig.
Gedanken wie:
warum eigentlich Volkstrauertag?
was bedeutet mir denn noch dieser Tag und die Erinnerung an die vielen Gefallenen?
Sind damals nicht noch viel mehr Menschen umgekommen?
Vertriebene, Flüchtlinge, Kriegsgefangene, wie viele wurden denn Opfer von Unrecht und Gewalt?
55 Millionen oder doch noch mehr?
Und überhaupt: wie ist es denn heute?
Gibt es nicht immer noch jedes Jahr Hunderttausende von Toten in den vielen Kriegsgebieten unserer Zeit?
Was soll denn dieses jährliche Gedenken, ist doch eh nur mehr oder weniger
eine Pflichtveranstaltung, solange es diejenigen noch gibt, die es erlebt haben, die sich noch erinnern können.
Mit jedem Jahr entfernt sich das doch weiter von uns und die Jungen,
was sollen die noch damit anfangen?
Wie sollen wir ihnen erklären, dass es wichtig ist, an diesem Tag inne zu halten und sich bewusst zu machen, ins Gedächtnis zu rufen, wie viel Leid und Elend durch Kriege ausgelöst wurden?
Na ja, vielleicht geh ich nächstes Jahr gar nicht mehr her –
eigentlich ändert sich ja nichts, ob ich jetzt dabei bin oder nicht …
Was hat im letzten Jahr noch der Bürgermeister vorgelesen?
Frieden halten ist Menschenpflicht?
Kein Platz soll bleiben für
– stumpfen Sinn und Gleichgültigkeit
– für Hass und Unduldsamkeit
Für Missachtung des Menschen in seiner Würde, seinen Rechten,
seiner Freiheit.
Kein Platz soll bleiben für die Missachtung der Freundschaft.
Naja, stumpfsinnig bin ich ja nicht und gleichgültig ja auch nicht,
ich reg mich eher über alles Mögliche auf, besonders über die Politik
– aber da kann man ja eh nix machen, die da oben machen doch, was sie wollen,
ich glaub ich geh gar nicht mehr zum Wählen,
sollen die doch machen, was sie wollen.
Missachtung des Menschen in seiner Würde, seinen Rechten, seiner Freiheit –
na, da brauch ich mir nichts vorwerfen, ich acht jeden und lass ihm seine Freiheit.
Aber man muss doch seine Meinung sagen dürfen, wenn da jetzt auf einmal lauter Asylanten bei uns im Dorf, in der Verbandsgemeinde und im Kreis einquartiert werden sollen.
Das sind doch alles nur Wirtschaftsflüchtlinge, lauter Faulenzer, die auf unsere Kosten sich hier durchfressen wollen.
Nee, das hat die Freiheit ihre Grenzen, kommt gar nicht in Frage, dass die hier bei uns so ohne weiteres aufgenommen werden, wenn ich die schon seh ……..
wieso wollen die eigentlich grad bei uns ihre Rechte einfordern?
Was geht uns das Elend im Rest der Welt an?
Haben wir vielleicht Verantwortung dafür??
Sätze wie…..
Noch ist Unrecht in der Welt, Krieg, Gewalt und Grausamkeit im Großen und Kleinen.
….die hört man an diesem Gedenktag  jedes Jahr!
Naja, stimmt ja irgendwie, seh ich ja täglich im Fernsehen und auch hier in unserem Land wird es angeblich immer schlimmer mit dem großen Unterschied zwischen Arm und Reich, die Schere geht immer weiter auseinander, wird gesagt.
Mit solchen Zuständen wurde ja schon mal der Boden bereitet für Neid, Hass und Gewalt und letztlich für diesen schrecklichen Krieg, an den wir heute wieder erinnert werden.
Vielleicht müsste ich mich ja doch mal genauer damit beschäftigen,
was eigentlich los ist in unserem Land, was das bedeutet,
wenn Menschen mit niedrigsten Löhnen abgespeist werden und davon ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten können, der Staat muss dann einspringen,
will heißen, wir Steuerzahler zahlen das, aber was passiert dann eigentlich, wenn diese Schlechtverdiener mal ins Rentenalter kommen, da reicht ja von dem bisschen Gehalt, die Rente vorne und hinten nicht, dann zahlt das ja auch wieder der kleine Steuerzahler…
Was hat da neulich einer gesagt:
die sozialen Unterschiede in unserem Land sind der Sprengstoff für die Gesellschaft für morgen,
die Verteilungskämpfe werden zunehmen und je größer der Unterschied zwischen Arm und Rein sein wird, umso leichter verfallen die Menschen den Verführungen von extremen Gruppierungen und Parteien – kommt mir irgendwie bekannt vor,
war alles schon mal da,
haben wir ja schon erlebt, was draus werden kann
und ehrlich gesagt:
wir erleben es tagtäglich in den Nachrichten aus der ganzen Welt.
Manchmal beschleicht mich das Gefühl, dass alles wieder von vorne anfangen könnte, wenn wir nicht aufpassen.
Wir wollen die Augen nicht schließen, die Ohren, den Mund,
wurde in einer Volkstrauertagsrede gesagt und:
wir wollen Mensch sein.
Jeder für sich ein Mensch – mit Liebe zum Nächsten.
Also, das mit dem Nächsten, das könnt ich auch schaffen, klein anfangen, im eigenen Umfeld, freundlich sein höflich, tolerant, nicht schlecht reden über die anderen und Geduld mit ihnen haben,
ich bin ja auch nicht perfekt.
Jeder für sich ein Mensch- mit Mut für all das einzutreten und
mit dem Wunsch nach Freundschaft und Frieden.
Eigentlich versteh ich es schon, wenn Menschen ihr Heimatland verlassen, weil sie dort mit ihrer Familie nicht mehr sicher leben können, ich glaub, ich würde es auch so machen, jeder will ja, dass es ihm selbst und seiner Familie gut geht, jeder von uns will doch in Frieden leben und nicht täglich Angst vor Gewalt und Krieg haben.
Es ist doch wohl richtig, wenn wir dran erinnert werden, was Unfriede, Hass, Ungerechtigkeit und Krieg in der Welt schon angerichtet haben und noch weiter anrichten, wenn nicht jeder von uns den Mut hat, für mehr Freundschaft, Gerechtigkeit und Frieden einzutreten.
Also, ich glaub, ich habs begriffen,
Richard von Weizsäcker hatte doch Recht, als er mal sagte:
„Die Jungen sind nicht verantwortlich für das, was damals geschah. Aber sie sind verantwortlich für das, was in der Geschichte daraus wird.“
Also, wenn´s nach mir geht, wird was Gutes daraus. Ich probier es jedenfalls.
Ich geh doch wieder zum Wählen, damit nicht die extremen Sprüchedrescher die Nase vorn haben und nächstes Jahr komme ich wieder hierher, mal sehen, ob es mir dann gelungen ist, für ein bisschen mehr Frieden in meinem Umfeld beizutragen.
Ich habs mir jetzt ganz fest vorgenommen und  bestimmt gibt´s noch einige, die so denken wie ich – je mehr, desto besser.
Ich glaub, wenn viele mitmachen, sind Gerechtigkeit und Frieden möglich
Und was ist mit Ihnen – machen Sie auch mit?
Aus diesem Geiste heraus, spreche ich heute das Totengedenken:
• Wir gedenken der Opfer von Gewalt und Krieg, der Kinder, Frauen und Männer aller Völker.
• Wir gedenken heute der Soldaten, die in den Weltkriegen starben, der Menschen, die durch Kriegshandlungen oder danach in Gefangenschaft, als Vertriebene und Flüchtlinge ihr Leben verloren.
• Wir gedenken derer, die verfolgt und getötet wurden, weil sie einem anderen Volk angehörten, einer anderen Rasse zugerechnet wurden oder deren Leben wegen einer Krankheit oder Behinderung als lebensunwert bezeichnet wurde.
• Wir gedenken derer, die ums Leben kamen, weil sie Widerstand gegen Gewaltherrschaft geleistet haben, und derer, die den Tod fanden, weil sie an ihrer Überzeugung oder an ihrem Glauben festhielten.
• Wir trauern um die Opfer der Kriege und Bürgerkriege unserer Tage, um die Opfer von Terrorismus und politischer Verfolgung, um die Bundeswehrsoldaten und anderen Einsatzkräfte, die im Auslandseinsatz ihr Leben verloren.
• Wir gedenken heute auch derer, die bei uns durch Hass und Gewalt gegen Fremde und Schwache Opfer geworden sind.
• Wir trauern mit den Müttern, Ehefrauen, Schwestern und Töchtern und mit allen,
die Leid tragen um die Toten.
Aber unser Leben steht im Zeichen der Hoffnung, auf Versöhnung unter den Menschen und Völkern, und unsere Verantwortung gilt dem Frieden unter den Menschen zu Hause und in der Welt.
Zum Ende dieser Gedenkfeier möchte ich Ihnen noch eine kurze Geschichte vorlesen:
Zwei Freunde wanderten durch die Wüste.
Während der Wanderung kam es zu einem Streit und er eine schlug dem anderen im Affekt ins Gesicht.
Der Geschlagene war gekränkt.
Ohne ein Wort zu sagen, kniete er nieder und schrieb folgende Worte in den Sand:
„Heute hat mich mein bester Freund ins Gesicht geschlagen“.
Sie setzten ihre Wanderung fort und kamen bald darauf zu einer Oase.
Dort beschlossen sie beide, ein Bad zu nehmen.
Der Freund, der geschlagen worden war, blieb auf einmal im Schlamm stecken und drohte zu ertrinken. Aber sein Freund rettete ihn buchstäblich in letzter Minute.
Nachdem sich der Freund, der fast ertrunken war, wieder erholt hatte,
nahm er einen Stein und ritzte folgende Worte hinein:
„Heute hat mein bester Freund mir das Leben gerettet!“
Der Freund, der den anderen geschlagen und auch gerettet hatte, fragte erstaunt:
„Als ich dich gekränkt hatte, hast du deinen Satz nur in den Sand geschrieben,
aber nun ritzt du die Worte in einen Stein.     Warum?“
Der andere Freund antwortet: „Wenn uns jemand gekränkt oder beleidigt hat,
sollten wir es in den Sand schreiben, damit der Wind des Verzeihens es wieder auslöschen kann.
Aber wenn jemand etwas tut, was für uns gut ist, dann können wir das in einen Stein gravieren, damit kein Wind es jemals löschen kann.“
Und so wird kein Wind diese hier eingravierten Namen, der Menschen, die für uns ihr Leben ließen und deren Namen uns mahnen sollen, löschen.
Ihre Namen sollen uns immer daran erinnern, wie viel Leid die beidenWeltkriege über die Familien und unser ganzer Land gebracht haben.
eltkriege über die Familien und unser ganzer Land gebracht haben.